... und raus bist du!
Von Elisabeth Mayerhofer, Monika Mokre, Paul StepanNun ist es schon wahr, dass in Österreich das Kulturgeschehen
nachhaltig vom Staat beeinflusst wird. Der Staat ist der größte Financier und Konsument
von Kulturgütern, aber dennoch, was zu weit geht, geht zu weit. Es ist zwar vielleicht
alles, was aus den Kunsttöpfen bezahlt wird Kunst (überprüfen sollte mensch das nicht),
aber es ist noch lange nicht alles, was nicht finanziert wird, keine Kunst. In Graz
scheinen da einige KulturstädterInnen anderer Ansicht zu sein. 2003 wird Graz
Kulturhauptstadt - daran ist schon lange nicht mehr zu rütteln! - und da wird dann auch
Kulturhauptstadtskultur gezeigt und sonst nichts. Unglücklicherweise gibt es aber KünstlerInnen in
der grünen Mark, die sich erdreisten, ihre Füße nicht still zu halten, wenn sie nicht
ausgewählt werden, die Graz 2003 -
Kulturhauptstadt Europas Organisations-GmbH zu vertreten. Die Kulturhauptstadt ist
eine GmbH und muss natürlich auch nach den Grundsätzen eines "ordentlichen
Kaufmanns", denken wir an den Herrn Finanzminister, handeln, und in denen ist
politisches Engagement nun einmal nicht vorgesehen. Wenn der Geschäftsführer diesem
Grundsatz zuwider handelt, macht er sich selbstverständlich strafbar. Aber zurück zum
Anfang.

[martin krusches telenovelas]
Ganz Graz war
Kulturhauptstadt. Ganz Graz? Nein!
Ein kleines Häufchen unbeugsamer KulturarbeiterInnen leistete unerbittlichen Widerstand.
Zunächst bestand der Widerstand in der Besetzung einer URL. Da wurden unter
www.graz2003.com bzw. www.graz2003.at Inhalte gebracht, die nicht von den
Kulturhauptstadtkulturmachern (also den "ordentlichen Kaufleuten") abgesegnet
waren. Daraufhin wurde der in Österreich beliebte Weg gepflegter politischer
Auseinandersetzung beschritten: Man klagte. Und danach setzte man sich zusammen. Und damit
sich dabei niemand einsam fühlte, waren auch die Medien eingeladen. Nun ist ein solches
Szenario in der österreichischen Kulturszene nichts Neues. Graz2003 wie auch das
Museumsquartier sind schöne Beispiele für innovativen Anspruch und traditionelle
Konzepte, die dann letztendlich nur hinterwäldlerische Kunstvorstellungen einer
altväterlichen Herrenpartie widerspiegeln.
Wobei niemand behaupten kann, dass diese Kunstvorstellungen eindimensional wären: Zum
einen geben sich die Herren doch große Mühe, ein neues Vokabular für alte
Inhaltslosigkeit zu benützen - Quartier 21 und Creative Industries schimpft sich das im
MuseumsQuartier, während die Kulturhauptstadt ihre fehlenden inhaltlichen Konzeptionen
gerne als "Offenheit" missversteht und die Ziellosigkeit der Vorgangsweise als
"work in progress" bezeichnet. Was natürlich ein wenig seltsam ist: auch wenn
das Werk noch nicht beendet ist, wäre es doch schön zu wissen, in welche Richtung es
denn letztendlich eigentlich gehen soll, wir sind ja hier nicht beim Topfschlagen.
Andererseits aber sind die neuen Kulturvorstellungen der neuen Kulturpolitik schon
ziemlich up to date - zwar nicht, was die Kunst betrifft, wohl aber was die politische
Großwetterlage betrifft, die bekanntlich von verächtlichem Nasenrümpfen für
Wohlfahrtsstaat und Keynesianismus und ungeteilter Verehrung des "freien
Marktes" geprägt ist. Und so wird die Umwandlung von Graz in eine Kulturhauptstadt
einer GmbH übertragen. Die dann - ganz wie ein ordentlicher Kaufmann - eine Corporate
Identity entwickelt, innerhalb derer unbotmäßige Kulturschaffende nichts zu suchen
haben. Klar auch, denn die Kundschaft hat's gern einfach und der Kunstgenuss soll nicht
durch unnötige Komplikationen den Appetit auf einen echt steirischen Antipasti-Teller
danach verderben.
Einigermaßen typisch für die österreichische Variante des Spätkapitalismus ist, dass
diese Gesellschaft ihre privaten Süppchen mit nicht unerheblichen Mengen öffentlicher
Gelder kocht, wenn mensch den kolportierten 54-200 Millionen Euro - die Schätzungen gehen
etwas auseinander - Glauben schenken darf. Ein Vergleich, wie viele Steirische Herbste
oder Jahresprogramme des Forum Stadtpark, ganz zu schweigen von den vielen
Kulturinitiativen, damit hätten finanziert werden können, wird hier besser nicht
angestellt. Die Situation in Graz lässt sich somit in dieser Form zusammenfassen: Eine
Kulturpolitik, die nicht weiß, was sie will, überträgt die Agenden einer privaten
Gesellschaft, die daraufhin ihr kulturelles Programm gegen ansässige KünstlerInnen
gerichtlich durchsetzt. Das Ganze kostet enorm viel Geld, die inhaltlichen Zielsetzungen
bleiben auf der Strecke. Nicht ganz, zumindest kristallisieren sie sich auf diese Art und
Weise ex negativo heraus. Nach solchen politisch-gerichtlichen Auseinandersetzungen weiß
mensch zumindest, was punktuell nicht erwünscht ist.
Aber nicht nur aus Gerichtsurteilen, auch aus der Homepage von Graz2003 kann zu lesen
versucht werden, nach welchen Gesichtspunkten die Teilnehmenden ausgesucht wurden. Und
natürlich auch aus dem Kaffeesatz, der vermutlich die einzige Quelle bleiben wird, soweit
die Aussagen der zuständigen KulturpolitikerInnen gefragt sind. Stellt sich die Frage:
Wozu das Ganze? Um ein paar Provinz-Honoratioren und ihren Schützlingen ein
Repräsentationsforum und bezahlte Jobs zu verschaffen? Oder steckt noch ein anderer Zweck
hinter den Kulturhauptstädten Europas? [...]
[Dies ist ein Textauszug. Den
Volltext finden Sie hier als RTF-Datei zum runterladen.]
Monika Mokre (little feature)
Quellen:
FOKUS (Forschungsgesellschaft für
kulturökonomische und kulturpolitische Studien)
IG Kultur Österreich
|