Steiermark: Sehnsucht und Rausch
sg. herr baloch,

zwar hat mich diese nachricht und einschätzung als beteiligten über umwege erreicht, jedoch möchte ich mir erlauben, dazu direkt stellung zu nehmen:

a)
drogen sind in der tat ein ernstes problem, allerdings ist die tatsächliche problemlage anders, als in den medien dargestellt:
* Jährlich sterben in österreich ca. 220 menschen aufgrund von drogen wie heroin etc. (18 in der stmk, durchschnittsalter 30)
* ALLEIN in der STEIERMARK sind es gut 1.500 aufgrund direkter folgen des alkohol.
* mindestens 300.000 Österreicher sind alkohol-abhängig
* weniger als 15.000 von anderen drogen
* einstiegsdroge für alle drogen (außer nikotin): alkohol zu fast 100%
* einstiegsalter für alkohol tendenz sinkend, für andere drogen etwa gleichbleibend.

Ein kleiner nachsatz noch zur gerne ignorierten droge nikotin (sie sind ja raucher): 28% der österreichischen männer rauchen, 16% der frauen. 80% aller lungenkrebstoten sind/waren raucher - auf diese art gibt es jährlich mehr tote (zahl nicht genau bekannt), als von illegalen drogen.

b)
diese zahlen sind amtlich und beim bka nachfragbar.
Das problem mit illegal gehandelten drogen ist also knapp 5% des gesamt-drogenproblems.

Weit bedenklicher ist hier der jugend-alkoholismus: immerhin sind knapp 30% der jugendlichen zw. 13 und 25 mehr oder weniger alkoholismus-gefährdet. Und die dealer sind bestens bekannt, tragen sie doch viel zum heimischen steueraufkommen bei: Wirte, die an jugendliche alkohol ausschenken. Ich kenn keinen, der es nicht tut und ich weiß, wovon ich spreche - meine kinder sind ja gerade im passenden alter....

c)
Drogenkonsum ist ein verhaltensmuster und kein kontrollierbares ereignis, kein überwachbarer raum. Es liegt in der natur von verhaltensmustern, dass sie "gelebt" werden wollen. Daher suchen sie sich bei ihrer gefährdung (z.B. durch konflikte mit exekutiven) substitute: neue, weniger gefährliche räume bzw. nicht überwachte (legale) drogen. Ergo treibt derartige kontrolle die drogenkonsumenten halt an nicht überwachbare plätze resp. in die legale droge alkohol (dann profitiert die gemeinschaft wenigstens an den steuern).

d)
Wenn meine kinder sich zu regelmäßigen drogenkonsumenten entwickeln sollten (was derzeit nicht der fall zu sein scheint), dann habe ich ihnen grundsätzlich falsche einschätzungen der realität, falsche überlebens- und erfolgsstrategien und unzureichende problemlösungskompetenzen mit auf den weg gegeben. Eine überbordende kontrolle kann dieses versäumnis nicht mehr reparieren und ist daher wertlos (siehe auch c))

e)
Obige tatsachen und trivial-schlüsse sind im grunde allen mit der drogenproblematik ein wenig vertrauten menschen bekannt (zumindest sollten sie das sein), wenngleich in der öffentlichkeit nicht in dieser form kommuniziert.
Sowas ist also auch einer FPÖ bekannt und wenn diese dann trotzdem eine bürgerwehr unter dem fadenscheinigen argument "graz von drogen zu befreien" propagiert, dann steckt ganz eindeutig etwas anderes dahinter, dann ist das täuschung und etikettenschwindel.

Es geht also in wahrheit nicht um drogen, sondern um exakt 3 dinge:
* publizität ("wir machen graz sauber und drogenfrei...")
* machtausübung im übelsten sinne, nämlich ohne dafür die verantwortung übernehmen zu müssen
* informationen und druckmittel über mitbürger zu sammeln

Also: das ganze ist ein demokratie-politisches problem und kein drogenthema. Es ist die bewährte taktik der FPÖ, subjektive parteiinteressen mit themenstellungen zu verbinden, zu denen der durchschnittsbürger fast zwangsläufig positiv eingestellt sein muss (siehe ihre eigene stellungnahme: "das drogenproblem ist vielzu ernsthaft, als dass persiflagen..." - also muss man schon was heftigeres unternehmen...). Selbst bei menschen ihres bildungsstandes scheint die rechnung manchmal aufzugehen...

Daher war es für alle beteiligten wichtig:
* zu zeigen, dass die bürgerwehr keine macht ausüben wird, denn sie wird ihrer "aufgabe" nicht nachgehen können

* angst bei den initiatoren zu erzeugen, dass ihnen kräftig in die suppe gespuckt wird
* die fadenscheinigkeit und die dummheit dieses vorschlages aufzuzeigen
* die perversion einer kontrollgesellschaft zu demonstrieren

Was eignete sich denn ihrer meinung nach für derartige ziele besser als satire und persiflage? Zeigefinger-diskussionen mit oberlehrerhafter attitüde? Basisinformation, die jeder in den papierkorb schmeißt? Unserer erfahrung nach (und die ist auch nicht ohne) erreicht man menschen mit humor weitaus besser und nachhaltiger (kleine anregung auch für 2003), als mit gewichtigen worten. Lachen merkt sich der mensch einfach leichter...

Also war und ist es - und die reaktionen bestätigen dies exzellent - eine geeignete und völlig richtig positionierte aktion und methode. Ihre meinung dazu steht ihnen selbstverständlich frei. Es muss ja nicht ihren geschmack treffen, aber ich darf ihnen schon sagen, dass wir über das in den reaktionen zum ausdruck gebrachte ergebnis sehr erfreut sind. Schließlich haben ja auch Sie es - wenn auch nicht ausschließlich positiv - der mühe wert gefunden zu reagieren.

Wir haben das ganze thematisieren können und sehr aufgeschreckte reaktionen in der FPÖ erzielt. Da hätt ich mir doch von öffentlichen einrichtungen aller art mindestens genauso viel erwarten können/dürfen. Aber dort war es allerorts ganz still.

meine verehrung
j. kapeller

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19•02