Steiermark: Sehnsucht und Rausch
Breite Front gegen blaue Bürgerwehr
Die FPÖ Graz will im Kampf gegen den Drogenhandel die Bürger für Patrouillen vor Schulen rekrutieren. Was die Wogen hochgehen lässt.

VON BERND HECKE UND MICHAEL SAMEC
(kleine zeitung graz, 4. 4. 2002)

Buntes Treiben herrschte gestern um 14 Uhr vor dem zweisprachigen Gymnasium GIBS in der Grazer Marschallgasse. Schüler drängen aus der Schule in den Bus, Direktorin Elisabeth Fleischmann empfängt ein Orchester der Internationalen Schule aus Brüssel und steht der Kleinen Zeitung Rede und Antwort. Ungern, aber bestimmt. Denn zu ihrem Ärger kommt ihre Schule derzeit nicht wegen internationaler Kontakte und weltoffener Orientierung in die Schlagzeilen, sondern wegen einer Bürgerwehr, mit der die Grazer FP dem Drogenhandel auf offener Straße den Kampf ansagen will.
Zwei Mann hoch, in Uniformjacken mit der Aufschrift "Bürgerwehr", bewaffnet nur mit Videokamera und Handy, sollen Freiwillige ab übernächster Woche vor dem GIBS patrouillieren. Ziel des Initiators Alexander Lozinsek, Grazer FP-Gemeinderat und Privatdetektiv: "Wir wollen den Drogenhandel auf offener Straße durch unsere Präsenz erschweren. Das löst das Problem nicht, der Handel wird nur verlagert, aber der Schulweg ist dann sicher." Gewaltfrei und ohne einzuschreiten soll die Bürgerwehr agieren. Verdächtige Beobachtungen werden der Exekutive via Handy gemeldet.

Die Schulleiterin schäumt: "Ich sehe nicht ein, warum das vor unserem Haus geschehen muss. Auf der Straße ist es Aufgabe der Exekutive, das Drogenproblem in den Griff zu kriegen. Eine Bürgerwehr hat da nichts verloren." Der Besuch aus Brüssel kommentiert das Projekt entgeistert: "Bürgerwehr? Klingt nach einer Nazi-Sache."

Auch in Graz ist vielen unbehaglich. Die SPÖ hat in den letzten Wochen rund 10.000 Unterschriften gegen die blaue Bürgerwehr gesammelt, die SP-nahe Aktion kritischer Schüler demonstrierte gestern in der Marschallgasse gegen die blauen "Hilfssheriffs" und ortet darin eine rassistische Patrouille, die Afrikaner ins Visier nimmt. Auch die übrigen Parteien stehen dem FP-Plan kritisch gegenüber (siehe links).

Was Lozinsek nicht verstehen will: "Es gibt das Ehrenamt für Rettung und Feuerwehr, warum soll es das nicht auch für den Sicherheitsbereich geben." Man wolle nicht Polizei spielen, sondern diese unterstützen.

Schützenhilfe, auf die Polizeidirektor Franz Stingl gerne verzichten würde: "Man kann nicht ausschließen, dass es durch die Bürgerwehr zu Reibereien kommt. Das ist ein Risiko, das einfach nicht sein muss."

Doch Lozinsek beharrt: "Wir starten das Pilotprojekt vor dieser einen Schule bis zum Sommer. Im Herbst könnten Patrouillen vor weiteren Grazer Schulen folgen." [quelle]

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