Steiermark: Sehnsucht und Rausch
Von: "joerg.vogeltanz" joerg.vogeltanz@chello.at
Betreff: offener brief #2: (schild)buergerwehr???
Datum: Donnerstag, 04. April 2002 19:40

geschaetzte eigenverantwortliche und solche, die es anstreben, dazu zu werden!

wie man der heutigen (4. 4. 2002) kleinen zeitung graz (siehe auch angefuegter artikel) entnehmen konnte, wird es ernst mit der buergerwehr: ab uebernächster woche werden uniformierte(!!), der fpoe nahestehende privatpersonen auf "besonders neuralgischen" plaetzen in graz, soll heissen, dort, wo drogenhandel vermutet(!!!) wird, mit fotoapparat, videokamera und handy patroullieren und verdaechtige (????) personen filmen, fotografieren etc.

ich muss vorausschicken, dass ich als misstrauischer buerger keine partei wirklich zu 100% als "meine" betrachte. auch bewege ich mich - sollte das aufgrund dieses schreibens vermutet werden- nicht im "dunstkreis" der spoe oder gruenen (obwohl mir deren ziele ein wenig sympathischer sind als die der politischen alternativen). nichtsdestotrotz moechte ich hier meiner tiefsten besorgnis ueber die extreme gesellschaftspolitische kurzsichtigkeit und aussenpolitisch sicher spuerbare dummheit der einrichtung einer buergerwehr ausdruck verleihen.

graz ist seit kurzem "stadt der menschenrechte". die geplante (schild)buergerwehr spricht diesem ehrenvollen praedikat hohn. gerade die stadt, die sich als "stadt der volkserhebung" einen traurigen ruhm geschaffen hat, sollte mit dingen wie bespitzelung und selbstexekutive vorsichtiger umgehen. ich frage mich auch, ob es ein gutes bild abgibt, wenn 2003 die erwarteten touristenstroeme eintreffen sollten, und die europaeische kulturmetropole graz als begruessung gleich alle dunkelhaeutigen besucher, die sich zufaellig an einer schule vorbeibewegen, buergerwehrlich fotografieren laesst.

ich spreche auch gleich das aus, was sich diverse medien nicht in aller deutlichkeit auszusprechen trauen: NATUERLICH ist das ein primaer rassistischer, sekundaer pathologisch-paranoider stadt-streich! wer - so wie ich - vertreter und waehler der fpoe kennt und schon das zweifelhafte vergnuegen hatte, mit diesen ueber drogenprobleme (die natuerlich existieren!), auslaender oder - gott bewahre! - kunst zu diskutieren, wird verstehen, was ich meine.

auf keinen fall darf nun aber der fehler gemacht werden, die waehler oder angehoerigen der fpoe alle als dumpf-schwachsinnige hitlerbaertchentraeger zu diffamieren (obwohl es die auch gibt, glauben Sie mir!). au contraire!

hier wird ganz geschickt mit medial geschuerten aengsten der bevoelkerung gespielt... und diese faellt wieder einmal darauf herein! was wird damit erreicht? nun: international schools (zb. GIBS) geraten in misskredit. schwarzafrikaner werden en gros zu kriminellen gestempelt (wer erinnert sich nicht an die visuelles NLP praktiziert habenden wahlplakate der fpoe:
"auslaender" und "kriminalitaet" wurden nebeneinander plakatiert. aber "man hat sich nix dabei gedacht..." wer´s glaubt...). in der bevoelkerung waechst der unbegruendete glaube, an jeder ecke stuende ein schwarzafrikaner mit rauschmitteln. durch die hoehere praesenz uniformierter wird ein klima der verunsicherung geschaffen; fuer den buerger entsteht der eindruck, auf die staatliche exekutive koenne man sich nicht verlassen. und das ziel:

selbstjustiz unter fuehrung reaktionaerer kraefte. ich warte nur auf den ersten versehentlich erschlagenen schwarzen oder den ersten buergerwehrler, der von erbosten auslaendern verpruegelt wird. zur de-eskalation von gewalt (die in graz im vergleich zu anderen staedten doch nicht wirklich besorgniserregend ist) traegt eine buergerwehr NICHTS bei. (und ich bin oft nachts unterwegs: in 2 jahren habe ich eine(!!!!) schlaegerei und ein paar besoffene gesehen... sonst nichts!)

was ist der naechste schritt? bewaffnete paramilitaerische buergertruppen? wo ist die grenze? und haetten wir vor 20 jahren nicht auch die einrichtung einer unbewaffneten buergerwehr schon als bedrohlich empfunden? stueck fuer stueck werden hemmschwellen abgebaut. schleichend. ethik wird als "gutmenschentum" belaechelt. moral ist nur mehr in ihrer verstocktesten und spiessigsten variante en vogue. wuerde ich den terminus "heimat" nicht global definieren, ich wuerde mich genieren, ein grazer zu sein.

ich erwarte als steuerzahlender buerger eine klare distanzierung ALLER parteien zu diesem vertrottelten plan der fpoe. ich will nicht, dass vor der schule meines sohnes uniformierte komplexsoldaten patroullieren. ich will keine blockwarte und privat-gestapo-offiziere. ich kann hoeflichst auf bevormundung durch blade hilfspolizisten verzichten. ich moechte nicht gefilmt werden, wenn ich mit einem schwarzafrikaner einen kaffee trinke. und ich kuendige ERNSTHAFTE kuenstlerische und mediale kampfmassnahmen an, wenn dieser entwicklung nicht einhalt geboten wird. der political-correctness-pazifismus der kuenstler und intellektuellen wird langsam passé. wenn sich diese stadt so weiter entwickelt, gibt es kreativen krieg. denn wenn ich schon in einer stadt lebe, die mich, meine familie und freunde als verdaechtige pro forma ueberwacht und bevormundet, will ich wenigstens meinen spass damit haben. es entstehen gerade aeusserst lustige plaene zur verhinderung der bespitzelungen... freut´s euch, schildbuergerwehrler!

ich lade auch alle interessierten hiermit herzlich dazu ein, beobachtete buergerwehrler zu fotografieren und zu filmen. die entstandenen bilder werden im rahmen der online-satire "graz0815" im netz praesentiert. wer uns fotografiert, wird auch fotografiert. so ist das.

einsendungen an: joerg.vogeltanz@chello.at (bitte nur *.jpg,*.gif, *.bmp und *.avi, *.mpg, *.qt; bilder nicht groesser als 200kb, filme maximal 1mb und bitte einzeln verschickt!)

joerg vogeltanz

core | reset


15•02